Fondsmanager sollten keine Lieblingsaktien haben. Niemals! Denn das trübt die Urteilskraft. Wir müssen aber gestehen: Wir hatten eine Lieblingsaktie. Jetzt haben wir sie verkauft!
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Offen gestanden: Wir waren immer Buffett-Jünger – und werden es im Prinzip auch immer bleiben. Deshalb waren wir auch über viele Jahre hin mit unseren Mandaten wie dem Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen in Berkshire Hathaway investiert. Warren Buffett war immer eine Inspiration für uns. Doch jetzt ist leider Schluss. Wir mussten uns für die Einhaltung unserer ESG-Kriterien entscheiden, oder mit diesen brechen. Und das kommt für uns nicht in Frage. Das sind wir unseren Anlegern schuldig, zu denen auch einige Institutionen der Evangelischen Kirche gehören.
Es ist im Grunde ganz einfach: Unsere ESG-Kriterien sind so, dass die Occidental Petroleum-Beteiligung, die Warren Buffett mit Berkshire Hathaway eingegangen ist, mit diesen Kriterien nicht vereinbar ist. Occidental Petroleum engagiert sich im Bereich Fracking – und das ist für uns ein No-Go! Deshalb waren wir konsequent und haben uns von Berkshire Hathaway getrennt. Diese Entscheidung erfolgte schweren Herzens – musste aber sein.
Auf der anderen Seite haben wir zuletzt unser Aktien-Exposure eh zurückgefahren und sind jetzt etwas defensiver aufgestellt. Durch die US-Notenbank wird dem Markt derzeit rund 40 Milliarden US-Dollar pro Monat an Liquidität entzogen. Das ist eine ganze Menge und kein Umfeld, in dem man voll investiert sein sollte. Außerdem ist der Konjunkturausblick derzeit nicht dazu geeignet, jubelnd und mit „Hurra!“ eine volle Aktienquote zu fahren. Natürlich fällt es uns nicht leicht, auf relativ viel Cash zu sitzen, denn es gibt immer noch genügend günstig bewertete Aktien. Es erscheint uns aber ratsam, weil wir in Richtung Herbst einige Risiken sehen. Sind diese ausgestanden, werden wir die Quote auch wieder erhöhen.
Was passiert bis dahin? Die Unternehmen haben wegen der Lieferkettenprobleme viel Lager aufgebaut. Diese werden im Laufe der nächsten Wochen wohl wieder abgebaut. Das sieht man schon im Einzelhandel. Die Lager werden abgebaut, die Preise reduziert, die Umsätze nehmen ab – und damit auch die Gewinne. Das hat dann auch zur Folge, dass die Kurse der Aktien zurückkommen. Ist dieser Prozess abgeschlossen, können wir auch wieder antizyklisch investieren.
Wir sehen natürlich auch, dass die Inflation in den USA überraschend „nur“ noch um 8,5 Prozent im vergangenen Monat gestiegen ist. Und die Jubelsprünge der Börsen haben auch unseren Portfoliounternehmen wie Addtech oder Amazon (Blogbeitrag: AWS: Der versteckte Gewinntreiber bei Amazon) gutgetan, die zuletzt jeweils über 20 Prozent zulegen konnten. Und auch Netflix hat sich wunderbar erholt. Das haben wir genutzt, um die Quote zu reduzieren. Wir halten derzeit lieber Cash.
Denn: Unternehmen können nicht richtig produzieren, weil ihnen Teile fehlen. Jetzt haben auch noch Flüsse wie der Rhein Niedrigwasser und drei Schiffe müssen das transportieren, was sonst eins laden konnte. Das wird teuer oder funktioniert gar nicht. Kohle als Gasersatz – wird schwierig, wenn die Flüsse als Transportweg ausfallen.
Im Moment sind die Sorgen an den Märkten zwar etwas zurückgegangen, aber die Null-Covid-Strategie in China, der Krieg in der Ukraine und die aggressive Straffung der Geldpolitik vieler Notenbanken sind Risiken und Belastungsfaktoren für die Weltkonjunktur und damit auch für die Aktienmärkte.
Wir sehen im Moment noch keine echten Kaufkurse und warten deshalb ab. Ob dann auch Berkshire Hathaway wieder eine Aktie für unsere Portfolios wird? Wohl eher nicht, denn Warren Buffett ist nicht dafür bekannt, sich schnell von eingegangenen Engagements wie bei Occidental Petroleum wieder zu trennen. Sehr, sehr schade!