Frank Fischer von Shareholder Value Management erklärt, warum er sich schon 2013 dem Thema Nachhaltigkeit gewidmet hat – und warumer einen Modern-Value-ETF lancierte.
Noch nie hat Frank Fischer, Vorstandschef und Investmentstratege von Shareholder Value Management, ein Hehl daraus gemacht, dass er stets ein „Buffett-Jünger“ war und es im Prinzip auch immer bleiben wird. Umso überraschender für viele Marktteilnehmer, als Fischer im August 2022 mitteilte, dass er sich von seiner Lieblingsaktie Berkshire Hathaway getrennt habe. Nach einem sehr erfreulichen Juli mit guter Performance über all seine Fonds und Mandate hinweg erwarte er ein Ende der Sommerrallye und habe deshalb die Aktienquote zum Teil drastisch gesenkt, hieß es damals. Und zu den Verkäufen habe auch das von Warren Buffett gegründete Unternehmen gehört. Als Grund gab Fischer an, man habe sich entscheiden müssen zwischen der Einhaltung der eigenen ESG-Kriterien oder mit diesen zu brechen. Das ist nur ein Thema, über das wir in einem gemeinsam mit Roland Kölsch, beim Wissenschaftsverein FIRST unter anderem für das FNG-Siegel verantwortlich, geführten ESG-Analysegespräch mit Frank Fischer diskutiert haben.
Hans Heuser: Herr Fischer, einer der wesentlichen Pfeiler der Strategie im Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen ist ein Aspekt, den Sie als „Modern Value“ bezeichnen. Was genau steckt dahinter?
Frank Fischer: Im Grunde beschreibt es ein Kernelement dessen, was Warren Buffett und der inzwischen leider verstorbene Charlie Munger schon vor sehr vielen Jahren entwickelt haben und das auch den von uns verfolgten Managementstil prägt. Auf einen kurzen Nenner gebracht, geht es darum, dass es bei Weitem besser ist, in wunderbare Firmen zu einem fairen Preis zu investieren als in mittelprächtige Firmen zu einem wunderbaren Preis. Munger hatte bereits Mitte der neunziger Jahre eindrücklich dokumentiert, dass die hohen Erträge einer Berkshire Hathaway zu einem großen Teil nicht aus einem klassischen Value-Investing-Ansatz stammen, sondern eben aus einem „Modern Value“-lastigen Stil …
Heuser: … der im Grunde aber doch dem entspricht, was andere gern als Investment in Qualitätsaktien bezeichnen, richtig?
Fischer: Das kann man durchaus so umschreiben, wobei ein wichtiger Aspekt hinzukommt, wenn man verstehen will, was Buffett und Munger mit „wunderbaren Firmen“ meinten. Am Ende ist vor allem der Zinseszinseffekt für eine überdurchschnittliche Performance maßgeblich.
Roland Kölsch: Womit Sie in konkreten Zahlen was genau meinen?
Fischer: Gemeint sind damit solche Firmen, die stetig enorm hohe Bruttomargen aufweisen. Solche Unternehmen leiden eben auch in so inflationären Zeiten wie derzeit deutlich weniger, weil sie Rückschläge sehr viel besser verkraften. Zudem fallen deren Gewinnrückgänge in solchen Phasen erheblich moderater aus, sodass auch ihre Kapitalrenditen über den Zyklus hinweg zum Teil satt zweistellig, idealerweise über der Marke von 20 Prozent bleiben. Wenn mein in solche Firmen investiertes Kapital Jahr für Jahr mit einer solchen Rendite für mich arbeitet, kann ich mir sogar den einen oder anderen Ausfall erlauben. Sei es aufgrund von Fehlern, die wir selber begehen, oder solchen, die dem jeweiligen Management unterlaufen, oder auch einfach, weil der Markt in irgendeiner Art etwas anders macht, als wir es erwartet hatten.
Heuser: Haben Sie Beispiele zu Branchen und Einzelwerten, die zu diesen wunderbaren Firmen gehören, wie Sie das nennen?
Fischer: Auf Branchen bezogen gehören zum Beispiel einige Hersteller von Luxusgütern dazu, die es geschafft haben, über ihre Markenbekanntheit gewisse Begehrlichkeiten zu schaffen. Aber auch ein Unternehmen wie McDonald’s, das erfolgreich auf sich wiederholende Konsumentscheidungen von Kunden setzt. Oft genug spielt Bequemlichkeit eine wichtige Rolle. Denn, seien wir doch ehrlich: Auch wenn man im Grunde ernsthaft bedauert, dass der Einzelhandel leidet, so bestellt man am Ende eben doch wieder bestimmte Produkte via Amazon, weil es eben so einfach ist. Viele dieser Firmen weisen neben einer hohen Kapitalrendite ein überdurchschnittliches Wachstum auf, das idealerweise bei mindestens fünf bis sechs Prozentliegt, sprich dem doppelten Wert des Bruttoinlandsprodukts. Besonders attraktiv für unseren Ansatz sind zudem sogenannte Serial Acquirer …
Heuser: … womit was genau gemeint ist?
Fischer: Gemeint sind Unternehmen, die innerhalb ihres Kompetenzbereichs eine ausgeprägt aktive Akquisitionspolitik betreiben. Bei einem günstigen Einstiegsfaktor können solche Firmen ihr Wachstum dann auch gut und gern auf zehn Prozent steigern statt fünf oder sechs Prozent. Ein Unternehmen wie Reply, eine der besten IT-Consulting-Firmen überhaupt, ist ein gutes Beispiel dafür. Die Gesellschaft erzielt ihre Gewinnsteigerungen zu rund zwei Dritteln aus organischem Wachstum, aber zu immerhin einem Drittel aus anorganischem Wachstum.
Kölsch: Aber wie muss man sich den Weg zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien im Management Ihres nach Artikel 8 SFDR zertifizierten Fonds vorstellen?
Fischer: Wir dürfen meiner Ansicht nach durchaus zu Recht behaupten, dass wir uns über die Berücksichtigung entsprechender Kriterien schon sehr vielfrüher als andere Gedanken gemacht haben. Und zwar schon weit bevor Nachhaltigkeit mit dem im Sommer 2019 angestoßenen „Green Deal“ der EU zu einem inzwischen im Grunde nicht mehr wegzudenkenden Mainstream-Aspekt insbesondere innerhalb der Investmentbranche geworden ist.
Heuser: Was bedeutet „sehr früh“ konkret?
Fischer: Mit „sehr früh“ meine ich, dass wir uns mit dem ESG-Thema nicht erst auseinandergesetzt haben, als die entsprechende Regulierung auf uns als Investmenthaus zukam. Wir haben bereits 2013 eine Grundsatzentscheidung diesbezüglich getroffen. Der Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen war damals bereits fünf Jahre alt, aber wir kamen in dieser Phase zunehmend in Kontakt mit Stiftungen und anderen gemeinnützigen Einrichtungen, die schon länger durchaus zweckorientiert und unter Beachtung gewisser Ausschlusskriterien investiert haben. In diesen Gesprächen ist Nachhaltigkeit mehr und mehr zu einer Art Wohlfühlfrage geworden, nicht nur für uns als Investmenthaus, sondern auch für mich ganz persönlich.
Kölsch: Was muss man sich denn unter dem Ausdruck „Wohlfühlfrage“ vorstellen?
Fischer: Wir haben uns in dieser Zeit die grundlegende Frage gestellt: Müssen wir eigentlich, wenn wir für uns selbst oder eben auch unsere Kundeninvestieren, Geld mit etwas verdienen, obwohl das entsprechende Produkt oder auch die jeweilige Dienstleistung ganz offensichtlich anderen Menschenschadet? Das war der eigentliche Auslöser auf unserem Weg zu einer Integration von Nachhaltigkeitskriterien in unseren Investmentprozess. Und ich kann mich sogar an ein Unternehmen erinnern, das bei der Beantwortung dieser Art Ursprungsfrage eine wesentliche Rolle gespielt hat.
Heuser: Und das war welches?
Fischer: Es ging um das zu der Zeit noch als Total firmierende Mineralölunternehmen, das seit 2021 im Zuge der Umwandlung in eine europäische Aktiengesellschaft Total Energies heißt. Die Gesellschaft hat schon früher durchaus hohe Dividendenrenditen bei einer gleichzeitig oft attraktiven Bewertung erzielt. Aber sie hat auch heute noch ein grundlegendes Problem, an dem sie zwar nicht einmal selbst die Schuld trägt, das sie aber auch künftig wohl nicht in den Griff bekommen wird.
Kölsch: Worauf spielen Sie an?
Fischer: Das betrifft die Pipelines. Die werden – vor allem in Afrika – regelmäßig von Piraten angezapft, die so das Öl absaugen. In der Folge sprudelt das Öl fleißig weiter vor sich hin und verunreinigt quadratkilometerweise Boden und Grundwasser. Und Total Energies kommt nicht schnell genug hinterher, um die Pipelines wieder zu reparieren. Da haben wir noch gar nicht über eventuell verunglückte Tanker oder Ähnliches gesprochen. Aber wir haben uns eben schon damals, als das Thema Klimawandel noch gar nicht so ausgeprägt im Bewusstsein der Menschen stand, überlegt, wie wir mit ESG-Fragen umgehen sollen.
Kölsch: Woran haben Sie sich orientiert?
Fischer: Auf der Suche nach auch für uns passenden Kriterien sind wir bei der Evangelischen Kirche fündig geworden, die bereits 2011 die erste Auflage ihres Leitfadens für ethisch-nachhaltige Geldanlage herausgegeben hat. Auch wenn wir längst nicht alle darin formulierten Prinzipien teilen konnten und können, hat uns das eine erste sinnvolle Orientierung gegeben auf der Suche nach Ausschlusskriterien und zur Festlegung von prozentualen Grenzen in Bezug auf den Anteil von unter ESG-Gesichtspunkten strittigen Gütern oder Dienstleistungen von Unternehmen.
Kölsch: Aber heute werden doch auch Sie einen Schritt weiter sein bei der Entscheidung, in welche Unternehmen Sie unter dem Nachhaltigkeitsaspekt investieren oder eben bewusst nicht investieren.
Fischer: Die finale Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Investment treffen wir nach wie vor selbst und diskretionär. Wir betreiben natürlich auch eigenes ESG-Research, soweit uns das mit insgesamt drei speziell darin geschulten Mitarbeitern möglich ist. Wir haben aber auch relativ früh erkannt, dass wir so etwas wie einen Alerting-Mechanismus brauchen, der uns gezielt auf negative Erscheinungen oder Entwicklungen aufmerksam macht, die uns über unser hauseigenes ESG-Research vielleicht noch nicht bewusst geworden sind.
Heuser: Worauf greifen Sie dabei zurück?
Fischer: Auf einen Dienstleister wie Sustainalytics, mit dem wir bereits 2014 einen Kooperationsvertrag geschlossen haben. Die Hinweise oder „Red Flags“, die wir durch die Integration in unser Portfoliomanagementsystem erhalten, sind in jedem Fall eine sinnvolle Hilfe bei der Entscheidung für oder gegen eine Aktie. Allerdings folgen wir auch nicht jeder Empfehlung der ESG-Agentur.
Heuser: Bei der Entscheidung, sich von Ihrem Vorbildunternehmen Berkshire Hathaway zu trennen, aber schon, oder?
Fischer: Im Prinzip ist das tatsächlich so, wobei ich sagen muss, dass wir das wirklich sehr schweren Herzens getan haben. Andererseits ist es ein Beleg dafür, dass wir es tatsächlich ernst meinen mit der Einhaltung unserer ESG-Kriterien und diese auch wirklich und ausnahmslos konsequent leben. Der Auslöser war damals Warren Buffetts Entscheidung, seine Beteiligung an Occidental Petroleum so stark zu erhöhen, dass damit die durch unsere Ausschlüsse definierte Grenze in Bezug auf den tolerierbaren Anteil des Frackinggeschäfts von Ölförderunternehmen überschritten wurde.
Heuser: Bitte noch ein Wort, warum es eine aktiv gemanagte ETF-Variante Ihres Frankfurter Aktienfonds braucht.
Fischer: Als Variante würde ich es gar nicht bezeichnen. Unter dem reinen ESG-Gesichtspunkt unterliegt der ETF zwar den gleichen Kriterien wie unser Ursprungsfonds. Das Investmentkonzept ist aber ein ganz anderes. Der Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen ist zu Recht als Mischfonds kategorisiert. Denn wir versuchen über die aktive Steuerung der Aktienquote, die je nach Marktsituation zwischen 60 und 90 Prozent beträgt, Wertschwankungen möglichst gering zu halten. Im ETF spielt das so gut wie keine Rolle, denn der ist ja bewusst jederzeit voll investiert in Werte, die auf unserer Longlist stehen. Auf einen kurzen Nenner gebracht, könnte man sagen: Wer weniger Volatilität möchte, investiert in den Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen, wer eine höhere Performance sucht, entscheidet sich für unseren Modern Value ETF. Denn die Investmentidee hinter beiden folgt dem gleichen Prinzip.
Heuser: Vielen Dank für das Gespräch!