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Im Gespräch mit €uro am Sonntag erläutert Frank Fischer, CEO von Shareholder Value Management, wieso ESG-Scores für Meta Platforms zum Problem werden könnten, weshalb er den europäischen Versicherungssektor für aussichtsreich hält und was er am Autovermieter Sixt bewundert
von Benjamin Heimlich
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€uro am Sonntag: In den USA ist aktuell eine Anti-Wokeness-Bewegung zu beobachten. Wie blicken Sie, als Investor mit Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit und ESG, auf diese Entwicklung?
Frank Fischer: Das Artikel mit Audiokommentar hören Thema ist zweifelsohne angeschossen. Die Gründe dafür werden spätestens mit Blick auf die Nachhaltigkeits-Benchmarks klar. Gleichzeitig schwingt das gesellschaftliche und politische Pendel in schöner Regelmäßigkeit von einem Extrem ins
andere. Durch Trump erfahren Themen wie „Wokeness“ und „Nach„ Sie schreien:
Kauf mich!“ haltigkeit“ massiv Gegenwehr. Die gute Nachricht ist, da die Bereiche
aktuell nicht mehr en vogue sind, ergeben sich dort spannende Investmentchancen.
Erst Anfang der Woche ist beispielsweise die zuletzt tief gefallene SMA-Solar-Aktie vom
Analysehaus Jefferies hochgestuft und das Kursziel angehoben worden. SMA ist keine wunderbare Firma, aus zyklischen und klassischen Value-Kriterien allerdings
einen Blick wert.
€uro am Sonntag: Können Sie denn unter Nachhaltigkeits- und ESG-Gesichtspunkten noch vorbehaltlos in US-Konzerne investieren, wenn diese beispielsweise Gleichstellungsprogramme und Ähnliches abschaffen?
Fischer: Nachhaltiges Investieren bedeutet für mich, dass ich versuche, das Richtige zu tun. Das heißt nicht, dass das ohne Rendite gehen soll, sondern bitte, wenn es irgendwie
möglich ist, Schaden zu vermeiden. Das wird in einigen Firmen zum Problem. Ein Beispiel ist Meta Platforms: Facebook und Instagram machen die Nutzer über den Algorithmus regelrecht süchtig. Ich sehe das bei meinen Kindern. Wir haben intern zuletzt auch über Alphabet diskutiert, deren Geschäftspraktiken in einem Ausmaß nicht wettbewerbskonform sind, dass dies auch juristische Konsequenzen hat. Die Moltiply Group, bei der wir investiert sind, hat zusammen mit Idealo und anderen Google verklagt
und in erster Instanz auch Recht erhalten. Damit steht dann auch die Frage im Raum: Was passiert, wenn Alphabet aufgrund ihrer Competitive- Practices im ESG-Score fällt und beispielsweise vom MSCI ausgeschlossen wird? Das komplette Kapital aus ESG-Indizes, das sich auf 50 bis 100 Milliarden Dollar summieren dürfte, fällt dann weg. Das würde die Aktie erheblich unter Druck setzen. Ähnliches könnte auch Meta aufgrund von Privacy-Concerns drohen. Selbstverständlich sind das Extremszenarios, aber sie sind möglich.
€uro am Sonntag: Bei Ihrem ETF haben Sie zuletzt die US-Gewichtung reduziert. Haben dabei auch Überlegungen in diese Richtung eine Rolle gespielt, oder was stand dahinter?
Fischer: Für uns als Value-Investor stand vor allem das Bewertungsniveau im Vordergrund. Ganz einfach ausgedrückt, ist in Europa aktuell vieles recht billig zu haben. Wenn wir uns beispielsweise Scor, einen französischen Versicherer, ansehen: Die haben schon jetzt eine erfreuliche Dividendenrendite, die weiter wachsen wird. Gleichzeitig bekommen sie eine Steuersenkung, die sich positiv auf den Nettogewinn auswirken wird. Dazu kommen Aktienrückkäufe und mit Thierry Léger ein sehr guter CEO, der bald zwei Jahre im Amt ist und wesentlich ist für die sehr deutliche Verbesserung der Kultur. Solche Beispiele gibt es einige im europäischen Versicherungssektor. Ein weiteres wäre Storebrand aus Norwegen. Warum überhaupt Versicherungen? Weil sich das Makrobild komplett gedreht hat. Es gibt wieder Zinsen, und nur, weil die EZB trotz der steigenden Inflation immer noch die Zinsen senkt, ist es nicht so, dass wir nicht von nachhaltig höheren Zinsen ausgehen müssen.
€uro am Sonntag: Kurzfristig gehen die meisten Beobachter davon aus, dass die
EZB den Leitzins eher in Richtung der Zwei-Prozent-Marke senken dürfte.
Fischer: Davon sollten dann sogenannte Serial-Acquirer, also Unternehmen, die nicht nur organisch, sondern vorrangig durch Zukäufe wachsen, profitieren. Deren Finanzierungskosten sinken dann natürlich. In diesem Bereich finde ich Azelis aus Belgien spannend. Die haben sich auf die Distribution von Spezialchemikalien fokussiert und in den letzten Jahren regelmäßig Übernahmen getätigt, die einfach zum Geschäftsmodell gehören. Interessant ist, dass während beispielsweise Azelis Bonds begibt, die Serial-Acquirer in Skandinavien ihre Deals fast ausschließlich variabel finanzieren. Müsste ich mich auf einen einzelnen Markt-Call festlegen, wäre es auch aus Makro-Gründen Schweden. Neben schon vier Zinssenkungen fallen die Steuern, was den Konsum beflügeln sollte. Dort gibt es meines Erachtens die am besten geführten
Firmen der Welt – allerdings sind die Bewertungen leider auch sehr hoch.
„Müsste ich mich auf einen einzelnen Markt-Call festlegen, wäre es Schweden.“
€uro am Sonntag: Noch einmal zurück in die USA: Erwarten Sie, wie viele Marktteilnehmer, dass der M & A-Markt dort unter der Trump-Administration Fahrt aufnimmt?
Fischer: Ich denke schon, ja. Insbesondere die großen Techkonzerne hatten in den letzten Jahren stets das Problem bei Übernahmen, dass die Wettbewerbsaufsicht gesagt hat: Du bist schon so marktbeherrschend, du darfst das nicht kaufen. Für die Big- Techs ist Trump eine gute Nachricht, der drückt beide Augen zu. Solange nur alle nach Mar-a-Lago
pilgern und ihm huldigen, dürfen sie machen, was sie wollen. Vor diesem Hintergrund kann ich mir vorstellen, beispielsweise auch Adobe wieder zu kaufen , von denen wir uns Ende letzten Jahres auch beim Frankfurter Modern Value ETF getrennt haben.
€uro am Sonntag: Wie blicken Sie aktuell auf China?
Fischer: Xi Jinping wird eine Antwort auf Trump brauchen. Aus Investorensicht wäre diese ein massives Fiskalprogramm, das gleichzeitig die Gefahr einer Liquiditätsfalle eliminiert.
Sie ist das größte Risiko in China, auch für deutsche Unternehmen wie Carl Zeiss Meditec. Das Wachstum ihres China-Geschäfts hatten wir in der Vergangenheit zweistellig erwartet, aktuell rechnen wir mit fünf bis sechs Prozent. In China leiden besonders viele Menschen
unter Myopie – starker Kurzsichtigkeit. Die kann man behandeln lassen. Der Staat möchte das auch und Carl Zeiss ist die Nummer eins in dem Bereich. Das Problem: Kaum jemand kann in einer konjunkturellen Schwächephase knapp 9.000 Dollar aus der eigenen Tasche
bezahlen. Zieht die Wirtschaft wieder an, wird das auch den Markt für Carl Zeiss wiederbeleben, schon allein, weil man in China als junger Akademiker auf dem Heiratsmarkt mit Brille schwerer vermittelbar ist.
€uro am Sonntag: Stichwort Carl Zeiss Meditec: Der MDAX und der SDAX laufen seit 2020 schlechter als der DAX. Erwarten Sie, dass es auch in diesem Jahr so weitergeht?
Fischer: Die deutschen Nebenwerte sind teilweise so billig, sie schreien einen schon an: Kauf mich! Das sind die üblichen Verdächtigen, eine Jungheinrich, eine Sixt, eine Stratec, eine Knorr-Bremse. Nehmen wir Sixt als Beispiel. Die Problematik mit der Abschreibung der Elektroauto-Flotte liegt hinter dem Unternehmen. Sie können auch in der konjunkturellen Schwäche atmen. Und wenn die Konjunktur wiederkommt, dann fangen die Kunden schnell wieder an, sich die schönen, etwas teureren Wagen zu mieten.
Daneben hat Sixt in der Krise die ganzen Slots in den USA besetzt und ist dort ins Wachsen gekommen.
Wie Frank Fischer auf die Schwäche der US-Verbraucher blickt,
wieso er trotz niedriger Kurse weiterhin einen Bogen um Bayer und BASF
macht und weitere Themen, sehen Sie im Video-Interview auf Youtube unter dem Stichwort „Smartes Geld“ oder über den QR-Code oben.
Deutsche Aktien günstig / Wegen Donald Trump: Diese Aktien meidet Fondsmanager / Frank Fischer
€uro am Sonntag: Tendenziell sind die kleineren Werte weniger internationalisiert als beispielsweise DAX-Konzerne. Gleichzeitig sind die Konjunkturprognosen für Deutschland nicht berauschend. Besteht nicht damit ein weiteres Abwärtsrisiko?
Fischer: Natürlich kann es immer noch schlimmer werden. Aber die Wahrheit ist, dass jetzt schon wirklich extrem viel eingepreist ist. Also ich sehe aktuell durchaus mehr Chancen als Risiken. Daher sehe ich in der zweiten Reihe tonnenweise unterbewertete Firmen, bei denen ich sage, da lohnt es sich, noch einmal hinzugucken. Insbesondere,
wenn ich dabei nicht unbedingt auf den Zyklus setzen muss. Ich versuche insgesamt, etwas defensiver heranzugehen. Insgesamt läuft man aktuell Gefahr, depressiv zu werden,
wenn man sich nur mit der Makro-Ebene beschäftigt. Genau dann finden wir eben Value und dann lohnt es sich besonders die Einzeltitel genau zu analysieren, das macht jetzt noch mehr Spaß, weil die Bewertungen besonders in Europa so günstig sind.