Gewissheit Nummer 1: Die Fed hat sich von ihrer ultralockeren Geldpolitik verabschiedet. Die Käufe von Anleihen werden stärker gedrosselt als bisher angenommen – und zugleich bis 2023 sechs Erhöhungen des Leitzinses in Aussicht gestellt. Damit ist die Zeit der allgemeinen Geldflutung zumindest in den USA erst einmal vorbei. Die Anleihekäufe werden ab Januar um 30 Milliarden Dollar pro Monat zurückfahren. Damit läuft die Marktstimulierung mehrere Monate früher aus als noch im November angekündigt. Konkret bedeutet das, dass die Fed Ende März 2022 die Kaufprogramme gänzlich einstellen wird. Die Märkte haben diese Entscheidungen positiv aufgenommen, denn damit sind viele Unsicherheiten aus dem Markt erst einmal verschwunden.
Gewissheit Nummer 2: Auch in Europa wird sich einiges ändern. Angesichts steigender Inflationsraten hat die EZB auch von ihrer Seite her ein erstes Signal für das Auslaufen ihrer ultralockeren Geldpolitik ausgesendet. Nur noch bis Ende März 2022 wird sie Wertpapiere im Rahmen ihres Corona-Notkaufprogramms PEPP erwerben. Allerdings steckt die EZB weiterhin etliche Milliarden in den Kauf von Staatsanleihen und Unternehmenspapieren. Das allgemeine Kaufprogramm APP wird vorübergehend sogar aufgestockt. Ein abrupter Übergang müsse vermieden werden, sagte EZB-Chefin Christine Lagarde. Außerdem seien Zinserhöhungen im kommenden Jahr „sehr unwahrscheinlich“. Von daher haben die Märkte auch hier Planungssicherheit.
Gewissheit Nummer 3: Die Pandemie wird uns auch 2022 erhalten bleiben, egal wie die Varianten auch heißen mögen, die noch auf uns zukommen. Geht es nach Andrea Ammon, der Chefin des Europäischen Zentrums für Infektionskrankheiten (ECDC) und Europas oberste Seuchen-Bekämpferin, wird uns das Virus sogar noch zwei bis drei Jahre begleiten.
Gewissheit Nummer 4: Das bedeutet auf der anderen Seite: Es wird so schnell kein „back to normal“ geben. Nicht für den einzelnen und nicht für die Wirtschaft.
Gewissheit Nummer 5: Auf der anderen Seite dürften Impffortschritte immer wieder die Hoffnung beflügeln, dass das Schlimmste schon vorbei ist. Das, so ist zu befürchten, ist „the same procedure as last year“!
Gewissheit Nummer 6: Gleichwohl haben die meisten Länder schon jetzt wieder ihr BIP-Niveau von 2019 erreicht. Die Unternehmensgewinne haben in den letzten Quartalen die Erwartungen oft deutlich übertroffen. Außerdem werden sich viele Konjunkturpakete der Regierungen der Industrienationen im kommenden Jahr voll auswirken. Somit ist 2022 mit einer Fortsetzung des Wachstums in der Wirtschaft und an der Börse zu rechnen.
Gewissheit Nummer 7: Die deutsche Wirtschaft jedenfalls dürfte 2022 noch stärker zulegen als zuletzt. Die Industrieländerorganisation OECD rechnet mit einem Plus beim Bruttoinlandsprodukt von 3,9 Prozent.
Gewissheit Nummer 8: Darüber hinaus werden die großen deutschen Unternehmen nach Berechnungen des Handelsblatts so viel Dividende an ihre Aktionäre ausschütten, wie nie zuvor. 45,5 Milliarden Euro sollen es nächstes Jahr werden, die allein von den DAX-Unternehmen an die Aktionäre ausgeschüttet werden. Das ist zwar nur eine vorläufige Berechnung, die aber vermutlich in die richtige Richtung geht.
Gewissheit Nummer 9: Es ist und bleibt viel Geld im Markt. Vor allem Private Equity-Firmen schwimmen weiterhin in Barem. Denn: Die Wirtschaft wächst weiter, damit aber auch die Attacken aktivistischer Investoren. Die Zahl der Kampagnen von Hedgefonds bei börsennotierten Gesellschaften ist 2021 in Europa um ein Viertel gestiegen, so die Beratungsfirma Alvarez & Marsal. Dies betrifft nicht nur Firmen wie RWE, die Aareal Bank oder den Motorenbauer Deutz, sondern auch viele kleinere Unternehmen.
Gewissheit Nummer 10: Daraus ergeben sich auch 2022 wieder gute Möglichkeiten, um mit gezieltem Stock-Picking davon zu profitieren. Wie 2021, als wir für unsere Anleger erfolgreich in Immunodiagnostic oder Schaltbau investiert hatten, die allesamt mittlerweile neue Besitzer haben – und wir dabei eine schöne Übernahmeprämie einkassieren konnten. Diese Deals waren die „Kicker“ für die gute Performance unserer Mandate wie dem Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen und dem Frankfurter - Value Focus Fund. Und solche Möglichkeiten wird es auch 2022 wieder geben.
Soweit zu den Gewissheiten. Kommen wir zu den Fragezeichen. Denn ohne die, so die Erfahrung, gibt es kein „normales“ Börsenjahr.
Fragezeichen 1: Wie jedes Jahr dürfte es auch 2022 einen „Schwarzen Schwan“ geben, also ein Ereignis, das man nicht vorhersehen kann. Hinzu kommen neue Disruptionen in manchen Wirtschaftsbereichen, die das Spiel der Kräfte neu ordnen werden. Das wird spannend.
Fragezeichen 2: Die letzten Wochen haben gezeigt, dass die Volatilität an den Märkten zunimmt und die Bewertungen immer höher in die Lüfte steigen. Das wird uns auch im kommenden Jahr begleiten. Wie reagiert man auf diese Situationen? Wir haben die Möglichkeit, unsere Mandate abzusichern. Aber wann und in welchem Masse ist das sinnvoll? Nun, ein Fragezeichen, mit dem wir wie immer umgehen: „The same procedure as every year!“