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Das erste Halbjahr 2024 liegt hinter uns. Zeit für eine Halbzeitanalyse. Was ist gelaufen und was nicht? Eins ist vorweg klar: Einmal mehr ist es besser gelaufen als erwartet. Dazu trägt sicherlich auch bei, dass Risiken an den Märkten weiterhin keine große Rolle spielen. Hier hat sich die Entwicklung aus dem vergangenen Jahr einfach fortgesetzt.
Inhaltsverzeichnis
1. Lehre Nr. 1: Die USA geben weiter den Takt vor
2. Lehre Nr. 2: Die Dominanz einzelner Aktien nimmt zu
3. Lehre Nr. 3: Hoffnung auf Zinssenkungen bleibt
4. Lehre Nr. 4: Auch das Superwahljahr schafft keine politischen Börsen
5. Lehre Nr. 5: Steigende Unternehmensgewinne haben oft zu steigenden Börsen geführt
Zum Jahresanfang ging es an dieser Stelle um die großen Themen, die für den weiteren Jahresverlauf entscheidend sein könnten. Im Einzelnen waren das: Das Superwahljahr, die Entwicklung beim Thema Künstliche Intelligenz (KI) und die bevorstehenden Zinssenkungen. Wo stehen wir bei diesen Themen zur Halbzeit?
Lehre Nr. 1: Die USA geben weiter den Takt vor
Die Performance vieler wichtiger Indizes und Anlageklassen zeigt, was alles passiert an den Kapitalmärkten. So haben viele Gewinner des Jahres 2023 auch im laufenden Jahr den positiven Trend einfach fortgesetzt. Die Tech-Aktien, vor allem aus den USA, sind so weiter angestiegen und die Small- und Mid-Caps sind weiter zurückgeblieben. Dabei hat der S&P 500-Index in den USA das erste Halbjahr mit einem Plus von rund 15 Prozent abgeschlossen. Der Russel 2000 aus den USA mit einem klaren Fokus auf Small- und Mid-Caps hat hingegen nur rund vier Prozent zugelegt. In Deutschland betrug das Plus beim DAX immerhin neun Prozent. Der MDAX hingegen hat sogar fast sechs Prozent verloren in der ersten Jahreshälfte.
In den USA ist auch der Blick auf die Entwicklung der Sektoren spannend. So haben die Halbleiter- und Technologieaktien weiter zugelegt und den gesamten Markt nach oben gezogen. Die zuletzt schon geringe Marktbreite hat damit weiter abgenommen: Die Top-5- Werte im S&P 500 sind zuletzt schon in der Markkapitalisierung auf mehr als 25 Prozent an der gesamten Marktkapitalisierung angestiegen. Das ist wirklich eine starke Konzentration die wir zuletzt so im New Economy-Boom zur Jahrtausendwende gesehen haben.
Einsamer Spitzenreiter war hier Nvidia. Der KI-Wert setzte den Höhenflug mit einem Kursgewinn von mehr als 150 Prozent fort. Hieran ist schon die Bedeutung des Thema KI an den Börsen klar ablesbar. Nvidia ist zuletzt jedoch mit einem Börsenwert von rund 3,3 Billionen US-Dollar zum wertvollsten börsennotierten Unternehmen aufgestiegen. Schon einige Wochen vorher hatte das Unternehmen vom Börsenwert her den kompletten deutschen Aktienmarkt abgehängt. Hier erleben wir eine ungeheure Konzentration, denn mit Apple und Microsoft spielen noch zwei weitere Aktien in der gleichen Liga mit einem Börsenwert im Bereich um drei Billionen US-Dollar.
Daraus lässt sich eine deutliche Dominanz der USA an den Weltbörsen ablesen. Und tatsächlich hat die Wall Street ganz klar den Kurs an den Börsen bestimmt in diesem Jahr. Der MSCI All Country-Index ist um knapp 12 Prozent gestiegen. Rechnet man hier jedoch einfach die USA heraus, bleibt nur noch die Hälfte des Zuwachses mit knapp sechs Prozent übrig.
Lehre Nr. 2: Die Dominanz einzelner Aktien nimmt zu
Zuletzt kam noch ein weiterer Faktor hinzu, der diese Entwicklung untermauert: Wir haben wenige Titel, die die Märkte nach oben gezogen haben und es geht mittlerweile in einer Divergenz auseinander, die wir eher selten sehen.
Divergenz bedeutet hier, dass es relativ wenig neue 52-Wochen-Hochs, aber regelmäßig eine größere Anzahl an 52-Wochen-Tiefs gibt. Das ist immer ein interessantes Signal. Normalerweise sollten in Marktphasen wie derzeit, mit Indexständen nahe den Rekorden, auch viele Aktien auf Rekordniveaus stehen. Das findet derzeit nicht statt. Beispiel DAX: SAP, als die deutsche Technologie-Aktie und Indexschwergewicht im DAX, ist aktuell der einzige Titel im deutschen Leitindex, der auf einem Rekordniveau notiert.
Lehre Nr. 3: Hoffnung auf Zinssenkungen bleibt
Unabhängig vom direkten Börsengeschehen ist auch der Blick auf die großen Themen interessant. Dazu gehört sicherlich die Aussicht auf Zinssenkungen. Noch zu Jahresbeginn hielten die Experten der Wall Street sieben Zinssenkungen um jeweils 25 Basispunkte für wahrscheinlich, mit einem ersten Zinsschritt im März. Mittlerweile wissen wir: In den USA ist noch nichts passiert hinsichtlich der Zinssenkungen. Nun gilt der 18. September als wahrscheinlichster Termin für die erste Senkung. Und der soll dann bis zum Jahresende nur noch eine weitere folgen.
In Europa hat sich das Ganze ein bisschen anders dargestellt und wir haben den ersten Zinssenkungsschritt schon gesehen. Die Dynamik, die Anfang des Jahres erwartet worden war, ist aber auch hier erstmal noch nicht zu sehen. Insgesamt hat dieses große Thema der Zinssenkungen an den Börsen eigentlich schon seit Monaten eine Rolle in den Erwartungen der Marktteilnehmer gespielt. Das war ein Grund, warum die Kurse sich speziell in den USA so gut entwickelt haben. Spannend wird nun sein, mit Blick auf die kommenden Monate, ob denn die Zinssenkungen wirklich Realität werden. Sollte es nicht so kommen, benötigen die Börsen sicherlich andere Faktoren, die das Kursniveau aktuell zumindest stützen oder sogar noch antreiben.
Lehre Nr. 4: Auch das Superwahljahr schafft keine politischen Börsen
Bislang ohne größere Auswirkungen an den Märkten ist das Superwahljahr geblieben. Eine der wenigen Ausnahmen waren die zum Teil klaren Rückgänge bei französischen Aktien, als Präsident Macron direkt nach dem schwachen Ergebnis der Europa-Wahl kurzfristig Neuwahlen ankündigte. Nun steht das Links-Bündnis als klarer Sieger fest – und dennoch ist die Lage nicht komplett geklärt. (Frankreich: Wie es nach der Wahl weitergeht)
Nach vielen Wahlen in großen Ländern, die weitgehend folgenlos blieben, überstrahlt schon jetzt die US-Wahl Anfang November das Geschehen. Nach dem ersten TV-Duell scheint mit Donald Trump der Sieger schon festzustehen. Er hat seinen Vorsprung in den Umfragen deutlich ausgebaut. Amtsinhaber Joe Biden scheint dem Amt und damit auch dem bevorstehenden Wahlkampf nicht mehr gewachsen zu sein.
Klar ist: Viele Politikfelder werden von der US-Wahl direkt betroffen sein. Gerade das weite Feld der Handelspolitik deutet sich als einer der großen Bereiche an, in denen der kommende US-Präsident schon sehr rasch seine Spuren hinterlassen wird. Das Thema Zölle ist auf jeden Fall von großer Bedeutung. Amtsinhaber Biden hat erst kürzlich neue Strafzölle gegenüber China aufgebracht – vor allem im Segment der E-Autos und anderer Handelsgüter.
Doch eine Sache scheint nach dem bisherigen Verlauf im Superwahljahr 2024 weiterhin klar: Die kurzfristigen Folgen von Wahlen werden in den allermeisten Fällen immer noch überschätzt. Die langfristigen Folgen werden in der Regel unterschätzt – und sind für viele Länder jetzt noch gar nicht absehbar. Beispiel USA: Heute zu sagen, wie die wichtigste Volkswirtschaft im Sommer 2025 regiert wird und welche weitreichenden Maßnahmen ein möglicher Präsident Trump bis dahin eingeleitet hat, ist unmöglich.
Lehre Nr. 5: Steigende Unternehmensgewinne haben oft zu steigenden Börsen geführt
Zurück zu den Kapitalmärkten: Hier läuft erst einmal der Juli. Gerade die erste Hälfte ist statistisch gesehen eine der stärksten Phasen des Jahres – zumindest für den US-Aktienmarkt, gemessen am S&P 500 Index. Dabei spielt sicherlich auch die Berichtssaison eine Rolle, die schon in wenigen Tagen beginnt. Nach dem klaren Rückgang der Gewinne über einige Quartale deuten die aktuellen Gewinnschätzungen wieder einen weiteren Anstieg an. Bezogen auf den S&P 500 sollen beispielsweise die Gewinne im Vorjahresvergleich um 10 Prozent steigen. Sollte das so kommen, wäre das auf jeden Fall ein kurzfristig positives Signal für die US-Börsen, die aktuell schon auf einem Rekordniveau sind. In der Vergangenheit haben die Börsen oft auf solche Trendwechsel positiv reagiert. Dann könnte es mit der Aufwärtsbewegung an den Börsen erst einmal weitergehen.