Die Value-Investoren Jens Große-Allermann und Frank Fischer geben Einblicke in ihre Zusammenarbeit bei Shareholder Value Management. Sie diskutieren die Bedeutung der Unternehmenskultur und warum sie trotz des KI-Hypes optimistisch für Value-Aktien sind.
DAS INVESTMENT: Herr Große-Allermann, Sie waren lange Zeit für Norman Rentrop tätig. Wie kam es dazu und was haben Sie dort gemacht?
Jens Große-Allermann: Ich war 21 Jahre lang, von 2003 bis Ende Februar dieses Jahres, für den Verleger Norman Rentrop tätig. Zunächst habe ich seine Beteiligungen verwaltet, wobei der Schwerpunkt anfangs nicht unbedingt im börsennotierten Bereich lag. Im Laufe der Zeit haben wir das Portfolio dann so entwickelt, dass wir praktisch zu 100 Prozent in börsennotierten Unternehmen investiert waren. Es war eine sehr interessante Reise, bei der ich viel lernen und aufbauen konnte.
Und wie kam der Kontakt zu Frank Frischer und Shareholder Value zustande?
Große-Allermann: Frank und ich kennen uns seit etwa 20 Jahren aus der Value-Investing-Community in Deutschland. Als ich mich neu orientieren wollte, kamen wir ins Gespräch und seit dem 1. März bin ich nun bei Shareholder Value Management an Bord.
Frank Fischer: Ich bin total dankbar für diese Entwicklung. Jens hat diese wunderbare Community ins Leben gerufen, ohne die ich dieses Netzwerk so gar nicht hätte vorfinden können.
Sie sprechen von einer Community. Was hat es damit auf sich?
Große-Allermann: In Omaha treffen sich jährlich etwa 60 deutschsprachige Investoren, die streng genommen Wettbewerber sind, da jeder seinen eigenen Fonds hat. Trotzdem tauschen wir uns offen über Ideen aus. Das ist in Deutschland schon etwas Besonderes.
Kommen wir zur Investmentphilosophie. Was bedeutet Value-Investing für Sie beide?
Große-Allermann: Für mich geht es darum, unterbewertete Firmen mit einer Sicherheitsmarge zu kaufen und dann langfristig zu investieren. Es geht also nicht nur um reine Unterbewertung, sondern man muss auch das Geschäftsmodell verstehen.
Fischer: Genau, und dabei spielt die Unternehmenskultur eine entscheidende Rolle. Jens hat da einen sehr klaren moralischen Kompass.
Große-Allermann: Stimmt, für mich ist die Unternehmenskultur Priorität Nummer eins. Wenn ich das Gefühl habe, dass Governance, Kultur oder Wertesystem eines Unternehmens nicht passen, dann kann es noch so billig sein - ich investiere nicht. Das ist auch ein Wettbewerbsvorteil, gerade bei langfristigen Investments.
Wie gehen Sie mit dem aktuellen KI-Hype und der Dominanz der großen Tech-Unternehmen um? Macht einen das als Value-Investor mitunter nicht etwas gallig?
Fischer: Nein, gar nicht. Nehmen wir Alphabet als Beispiel. Es ist absolut günstig bewertet und einer der Gewinner der künstlichen Intelligenz. Nur weil sie aktuell nicht so weit vorne sind wie OpenAI, heißt das nicht, dass sie es nicht schaffen können. Alphabet hat in meinen Augen die Daten, die Rechenleistung und das Talent.
Große-Allermann: Und man darf nicht vergessen: Die Leute von OpenAI kommen ursprünglich von Google. Es wäre falsch zu glauben, dass solche Talente nicht auch weiterhin bei Google wachsen können.
Die Zinsen sinken wieder. Wie sehen Sie die Zukunft für Small Caps und klassisches Value-Investing?
Fischer: Der Abgesang auf die Nebenwerte - das habe ich schon oft erlebt. Dabei kommen die immer wieder, und es macht richtig Spaß, dann dabei zu sein.
Große-Allermann: Die vergangenen zwei, drei Jahre war es vielleicht richtig, nicht in Small Caps investiert zu sein. Aber irgendwann kommt der Wendepunkt. Die Unterbewertung ist derzeit so ausgeprägt wie selten zuvor.
Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Was verbindet euch beide außer der Liebe zum Value-Investing?
Fischer: Wir genießen beide das Leben. Anders als Warren Buffett, der hauptsächlich für sein Coca-Cola-Trinken und Hamburger-Essen bekannt ist, schätzen wir auch andere Aspekte. Letztes Jahr waren wir zum Beispiel auf einer Value Konferenz und beide über‘s Wochenende mit unseren Frauen in Bilbao und San Sebastian – das war großartig.
Große-Allermann: Stimmt, wir leben gerne. Und ja, Frank ist eher der Weintrinker, ich mehr der Biertrinker. Wir teilen definitiv die Freude am Genuss - sowohl beim Value Investing als auch im Privatleben.