In turbulenten Zeiten richtet sich der Blick der Anleger regelmäßig auf defensive Aktien. Doch was sind das für Werte? Vereinfacht gesagt, sind das Aktien, die im Vergleich zu anderen Titeln weniger unter wirtschaftlichen Schwankungen leiden, weil die Unternehmen aufgrund ihrer stabilen Geschäftsmodelle konstante Umsätze und Gewinne erzielen können und sich deshalb durch eine stabile Dividendenrendite auszeichnen. In normalen Börsenzeiten zählen auf jeden Fall die Rückversicherer zu dieser Kategorie. Doch bei der aktuell angespannten Lage im Bankensektor haben auch sie zuletzt deutlich unter Druck gestanden. Dennoch bleiben wir von den langfristig positiven Aussichten in diesem Sektor überzeugt. Mit dem französischen Rückversicherer SCOR haben wir zuletzt einen neuen Wert in den Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen aufgenommen, der jetzt mit einem Anteil von rund vier Prozent zu den Top-Positionen zählt.
Bevor der spezielle Investment-Case bei SCOR im Fokus steht, soll es erst einmal noch um das grundsätzliche Geschäftsmodell von Rückversicherern gehen, denn das ist nicht so bekannt – bietet aber einige positive Besonderheiten, die diesen Sektor auszeichnen.
Ein Rückversicherer ist ein Unternehmen, das Versicherungen für andere Versicherungsunternehmen anbietet. Wenn Versicherungsunternehmen Risiken übernehmen, können sie große Verluste erleiden, gerade dann, wenn viele Schäden eintreten. Ein Rückversicherer hilft diesen Versicherungsunternehmen, das Risiko zu verteilen, indem er einen Teil des Risikos übernimmt und im Gegenzug eine Prämie erhält.
Ein Versicherungsunternehmen könnte zum Beispiel eine Versicherung gegen Naturkatastrophen wie Überschwemmungen oder Erdbeben anbieten. Wenn viele Schäden in diesem Segment eintreten, könnte das Versicherungsunternehmen Schwierigkeiten haben, alle Schäden auszugleichen. Im schlimmsten Fall kann ein Versicherer sogar in finanzielle Schieflage geraten.
Ein Rückversicherer würde dann einspringen und einen Teil des Risikos oder sogar den Gesamtschaden übernehmen und so das Versicherungsunternehmen entlasten.
Auf diese Weise kann ein Rückversicherer dazu beitragen, dass Versicherungsunternehmen ihr Risiko besser verteilen und ihre finanzielle Stabilität gewährleisten können. Infolgedessen sind sie in der Lage, mehr Versicherungen anzubieten und mehr Menschen gegen unvorhergesehene Ereignisse zu schützen.
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Die Liste der Top-Rückversicherer ist nicht lang: International gehören nur fünf Unternehmen in die höchste Kategorie der Rückversicherer (Tier-1). Dabei zeichnen sich diese Unternehmen durch eine breite Geschäftsbasis aus: So gehören sowohl Schaden- als auch die Lebensrückversicherungen zum Produktportfolio. Zu der Top-Kategorie gehören bekannte Namen wie Münchener Rück oder Hannover Rück.
SCOR aus Frankreich rangiert in dieser Liste auf Platz vier – bezogen auf das Prämienvolumen. Da SCOR die beiden Bereiche anbietet ist das Geschäft breit diversifiziert. Zudem laufen die beiden Bereiche nahezu getrennt voneinander.
Nach einer Management-Krise zur Jahrtausendwende brachte der dann folgende Vorstandschef Dany Kessler SCOR weit nach vorn und in die internationale Spitze. Gerade im Segment „Leben“ konnte sich SCOR von der Konkurrenz absetzen. Kessler etablierte eine schöne Wachstumsstory, die bis zur Corona-Krise nur Geschäftsjahre mit Gewinnen brachte.
Dann folgten jedoch in den Jahren 2021 und 2022 viele Naturkatastrophen mit hohen Schadenssummen. Das kennen wir alle noch aus den Nachrichten: Waldbrände in Kalifornien, Überschwemmungen in Australien, dann wieder Waldbrände in Australien. Die Liste ließe sich leicht fortsetzen. In der Konsequenz sorgten diese Ereignisse für schlechtere Ergebnisse.
Nun hat SCOR die Weichen gestellt für einen personellen Wechsel: So geht der alte Vorstandschef Laurent Rousseau. Im Mai diesen Jahres wird dann der neue Vorstandschef Thierry Léger sein Amt antreten, der über viele Jahre Erfahrung verfügt (Scor holt neuen Chef von Rivale Swiss Re).
An der Börse wurden sowohl die Verluste als auch der personelle Umbau kritisch gesehen. Während die Mitbewerber ordentlich zugelegt haben, blieb die SCOR-Aktie deutlich zurück. Genau diese Sicherheitsmarge bietet jetzt eine Opportunität bei diesem Unternehmen.
Grundsätzlich haben wir ziemlich stabile Schaden- und Unfallmärkte, so dass die Rückversicherer hier gut in die Zukunft blicken können. Durch die hohen Schadenfälle zuletzt und dem allgemeinen Inflationsdruck sind bei den Neuverhandlungen von Prämien zuletzt schon Preissteigerungen von 20 Prozent möglich gewesen – und das ist schon der inflationsbereinigte Wert. Diese Entwicklung führt nun zu einer Verbesserung der Quote bei den Versicherern. Im Umfeld der gestiegenen Zinsen können die Rückversicherer ohne Probleme höhere Prämien durchsetzen.
Insgesamt lässt sich für die gesamte Branche feststellen: Rückversicherer haben Rückenwind und bei SCOR ist zudem die Bewertung im Vergleich zu den Mitbewerbern attraktiv. Auf Basis der Gewinnschätzungen für 2024 notiert die SCOR-Aktie derzeit mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von fünf. Bei der Münchener Rück liegt der Vergleichswert bei 11,5. Bezogen auf das Bewertungskriterium Buchwert kann die Aktie zudem überzeugen. Hier liegt der Wert beim Kurs-Buchwert-Verhältnis von 0,7 deutlich unter dem der Mitbewerber Münchener oder Hannover Rück, die einen Vergleichswert von 1,2 aufweisen.
Bei der Betrachtung eines Unternehmens schauen wir auch auf die Entwicklungspotenziale der gesamten Branche. Die schätzen wir positiv ein, denn die Basisdaten zeigen an, dass die Branche das Potenzial hat, stabil oberhalb der globalen BIP-Steigerungsraten zu wachsen. Weiteres Potenzial für die Rückversicherer ergibt sich schlicht und einfach durch die Häufung von Peak-Krisenszenarien. Auch als Folge der globalen Erwärmung hat die Anzahl der globalen Peak-Krisenszenarien deutlich zugenommen. Dies sind Szenarien für mögliche Naturkatastrophen, wie beispielsweise die stetige Erdbebengefahr im US-Bundesstaat Kalifornien. So waren es vor 20 Jahren noch fünf bis sieben Szenarien. Mittlerweile ist die Anzahl auf über 20 angestiegen. Und diese Krisenszenarien wollen versichert werden, was für eine stabile Nachfrage sorgt. Hinzu kommen völlig neue Felder – wie der stark wachsende Bereich der Cyber-Security (Blog zu secunet Aktie: Die Cybersecurity Aktie „Made in Germany“).
Aus Bilanzierungssicht werden Rückversicherer auch weiterhin spannend bleiben, durch die Aufnahme des Portfoliowertes auf Basis der aktuellen Bilanzierung nach IFRS 17. Diese Änderung führt zu deutlich stabileren und besser prognostizierbaren Erträgen.
Hinsichtlich der schon erwähnten attraktiven Ausschüttungen hat SCOR zuletzt allerdings mit einer Dividendenkürzung von sich reden gemacht. Auch so etwas kommt bei den Investoren nicht gut an. Doch der Ausblick sieht schon wieder vielversprechend aus. Unserer Einschätzung nach sollten die zuletzt gezahlten 1,40 Euro pro Aktie so etwas wie den Boden bilden bei den Dividenden. Es ist sehr gut möglich, dass der Wert hier wieder auf 1,80 Euro pro Aktie steigt. Das war der schon ausgezahlte Wert vor der Kürzung.
Bilanzstärke ist ein weiterer Aspekt für die Beurteilung von Rückversicherern. SCOR war zuletzt aufgrund der volatilen Ergebnisse auf ein A+-Rating abgerutscht, wobei die Bilanzstärke einem AA-Rating entspricht. Auch das hat das Unternehmen an der Börse unter Druck gesetzt – doch genau daraus ergibt sich auch wieder Potenzial. Wenn die Erträge wieder deutlich steigen und eine geringere Volatilität aufweisen (und danach sieht es nach den jüngsten Verhandlungsrunden zu den Prämien aus), dann werden auch die Erträge wieder zulegen und dann stehen die Chancen gut, dass es beim Rating wieder auf die AA nach oben geht. Dieses Rating haben alle anderen Tier-1-Rückversicherer.
Grundsätzlich überzeugt SCOR durch die gute Marktstellung und die wieder deutlich verbesserten Perspektiven. Als Tier-1-Rückversicherer wie auch Münchener Rück, Swiss Re, Hannover Rück und Berkshire Hathaway (Blogbeitrag: Berkshire Hathaway verkauft: Bye-bye Buffett!) profitiert SCOR von den langfristigen konstanten Kundenbeziehungen. SCOR ist ein Kompositversicherer (Leben und Schaden), der im Vergleich den höchsten Anteil „Leben“ aufweist. Wir denken dieser Bereich ist deutlich unterbewertet, was auch an der neuen IFRS 17-Rechnungslegung für Versicherungen liegt. Dies wird eine Reduzierung der Ergebnisvolatilität zur Folge haben, sodass in Zukunft deutlich stabilere Ergebnisse nicht nur bei diesem Rückversicherer zu erwarten sind. Insgesamt ist SCOR ein Profiteur steigender Zinsen und im Vergleich zu den Mitbewerbern derzeit unterbewertet.
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