Frank Fischer Kolumne: Börse - Das große Warten (und Zittern?)

Börse: Das große Warten (und Zittern?)

Die Börsen sind recht holprig ins neue Jahr gestartet. Die Gründe sind klar: Warten auf neue Konjunktur- und Inflationszahlen, warten auf aktuelle Quartalszahlen. Warten und Zittern lautet die Devise.

 

Warten auf die Quartalszahlen – JP Morgan mit Rekordgewinn

 

Das neue Börsenjahr ist gerade mal zwei Handelswochen alt, schon begann in den USA die Berichtssaison für das 4. Quartal. Analysten schätzen, dass die Gewinne der im S&P 500 gelisteten Unternehmen im Schnitt rund fünf Prozent höher ausfallen dürften als im Schlussquartal 2022. Nach Schätzungen der Deutschen Bank sollten sieben Sektoren Gewinnsteigerungen melden. Dabei sollen Kommunikationsdienstleister und Versorger sogar jeweils in der Größenordnung von rund 50 Prozent ihre Gewinne gesteigert haben. Niedrigere Gewinne dürften hingegen Energie-, Grundstoff- und Gesundheitsunternehmen vermelden. Überraschende Quartalszahlen sollten bei den Kursen entsprechender Aktien für spürbare Bewegungen sorgen. Einen ersten Vorgeschmack gab es bei den Zahlen der großen US-Banken. So hat JP Morgan den höchsten Gewinn aller Zeiten vermeldet. Im abgelaufenen Jahr hat die US-Großbank einen Gewinn von 49,6 Milliarden Dollar eingefahren. So viel Überschuss hat noch nie ein Geldinstitut in den USA erzielt (Größte US-Bank JP Morgan hängt die Konkurrenz ab). Dämpfer gab es dagegen für die anderen Banken: So vermeldete die Bank of America für das Schlussquartal des Jahres 2023 3,1 Milliarden Dollar Nettogewinn, deutlich weniger als im Vorjahr. Auch die Citigroup präsentierte schlechte Zahlen.

Inflation, Konjunktur und Notenbanken


Die Inflationsrate in Deutschland ist wieder auf 3,7 Prozent gestiegen. In der EU liegt sie bei 2,9 Prozent. Und in den USA legten die Verbraucherpreise im Dezember mit 3,4 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat und damit stärker als erwartet zu. Gleiches gilt für die um Energie- und Nahrungsmittel bereinigte Kernrate, die mit 3,9 Prozent nach wie vor deutlich über dem Zwei-Prozent-Ziel der US-Notenbank lag. Solange dieser Trend anhält und keine nachhaltigen Fortschritte bei der Rückführung der Dienstleistungsinflation zu verzeichnen sind, dürften die US-Notenbanker um Fed-Chef Jerome Powell keine Siegeserklärung im zähen Inflationskampf abgeben. Dennoch preisen die Märkte für die Fed-Sitzung am 20. März eine erste Zinssenkung von 0,25 Prozentpunkten mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 60 Prozent ein (US-Notenbank signalisiert niedrigere Zinsen in 2024). Das erscheint durchaus optimistisch zu sein. Auch die EZB dürfte sich mit schnellen Zinssenkungen vorerst zurückhalten. Hier sind Enttäuschungen fast schon vorprogrammiert, die sich dann auch auf die Kurse auswirken werden.

KI bleibt der Treiber


Wenn Künstliche Intelligenz in 2023 das Jahr der KI-Innovationen war, so wird dieses Jahr der produktive Einsatz dieser Innovationen im Vordergrund stehen. Die auf astronomische Höhen bis zu 900.000 US-Dollar gestiegenen Jahresgehälter der KI-Experten deuten die Dimension an, die mit der neuen Technik verknüpft sind: Möglichst hohe Produktivitätseffekte zu erzielen, indem viele Tätigkeiten von Künstlicher Intelligenz erledigt werden. Und das Potenzial ist groß: Etwa ein Drittel aller Bürotätigkeiten lassen sich schon mit heutiger Technik automatisieren. 


Knapp 20 Milliarden Dollar haben weltweit Unternehmen im vergangenen Jahr in KI-Lösungen gesteckt  . In diesem Jahr, so Schätzungen, könnte sich der Betrag noch einmal verdoppeln, da die entsprechenden Softwarelösungen nun einsatzbereit sind. Das Ergebnis wird ein Wettrennen um die höchsten Produktivitätseffekte sein, die sich schnell auch für andere Branchen entwickeln lassen.

KI: USA führen vor Singapur 


Wie in der ersten ITK-Revolution   („The Art of Digital Engineering“) zwischen 1995 und 2004 werden die USA auch im KI-Zeitalter die größten Produktivitätszuwächse erreichen, schätzt Capital Economics. In ihrem „AI Economic Impact Index“ erreichen die Vereinigten Staaten als Spitzenreiter 70 Punkte und liegen damit klar vor Singapur an zweiter Stelle. Die Amerikaner investieren nicht nur am kräftigsten in KI, sie gründen auch die meisten Startups und passen ihre Ausbildung am schnellsten an. Als Lohn werden sie vom bevorstehenden Produktivitätsschub am stärksten profitieren, so die Prognose. Von diesem Bereich sollten auch unsere Portfoliowerte wie Microsoft, Alphabet und Amazon profitieren, die sowohl im Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen als auch im Frankfurter UCITS-ETF – Modern Value enthalten sind.

Grundoptimismus bleibt – „Non Techs“ im Fokus


Deshalb sind wir auch grundsätzlich optimistisch, was den weiteren Verlauf an den Märkten betrifft, auch wenn es derzeit etwas holprig läuft. Das grundlegende Szenario für dieses Jahr ist aus unserer Sicht: Eine grundsätzlich fallende Inflation trifft auf ein schwaches Wachstum und auf sinkende Zinsen. Das wahrscheinlichste Szenario ist somit ein „soft landing“ der Wirtschaft, auch wenn auf dem Weg dahin so manche negative Überraschung lauern könnte. Denn spannend wird es, wenn es anders kommt als erwartet. In diesem Umfeld ergeben sich Risiken – aber natürlich auch Chancen. Mit einem gewissen Grundoptimismus schauen wir im aktuellen Marktumfeld auf eben diese Gelegenheiten. Und das müssen nicht immer nur große US-Tech-Aktien sein. Auch eine Roche Holding, eine Allianz (Beitrag: Allianz: Verlässlichkeit für das Portfolio)  oder eine Ryanair Holdings (Beitrag: Abheben mit dem "Aldi der Lüfte") sehen wir als durchaus attraktiv an.

 

Frank Fischer

Frank Fischer

Frank Fischer, Jahrgang 1964, ist Vorstandvorsitzender (CEO) der Shareholder Value Management AG und übt dort die Funktion des Chief Investment Officers (CIO) aus. Außerdem ist Frank Fischer Vorstandsmitglied der Shareholder Value Beteiligungen AG. Bis Ende 2005 war Frank Fischer als Geschäftsführer von Standard & Poor´s Fund Services (vormals Micropal GmbH) zuständig für Investmentfonds-Informationen und -Ratings.